ROSY BEYELSCHMIDT
In the gaze of the tungsten eyes of a golden fly, the ravenous roses of geometry blossom · 2025
4K color video, 2-ch sound, 6:27 min [➚]
Writer · Camera · Sound : Rosy Beyelschmidt
Director · Writer · VFX · Editor : Dieter Beyelschmidt
In einer Welt, in der Licht sich schneidet wie ein scharfer Schnitt durch Nacht, liegt ein winziger Spiegel des Gewissens: eine goldene Fliege, deren Augen Wolframglanz tragen. Sie fliegt nicht, sie schwebt vielmehr als stiller Zeuge über dem Geschehen, ein winziger Orbit aus Blicken, der die Bühne der Welt in ein dunkleres Farbenspiel hebt. Ihr Glanz ist kein Feuerwerk, sondern eine stille Mahnung: Dass das Streben nach Macht und der Wille, das Verborgene zu lesen, oft unaufhörlich weiterkreisen, selbst wenn der Körper schweigt.
In diesem stillen Blick liegt eine doppelte Frage: Wer kontrolliert den Blick, wer kontrolliert die Folgen dessen, was gesehen wird? Die Fliege symbolisiert die Gefahr der Vorwegnahme: Prophezeiung als Instrument der Macht, die Zukunft als greifbares Objekt, das man in die Hand nimmt, nur um festzustellen, dass Hände selbst zu Instrumenten werden. Der Blick, den diese kreisende Erscheinung ermöglicht, ist blind für die Freiheit des Einzelnen, weil er die Freiheit unter Druck setzt, Erwartungen zu erfüllen, bevor das Handeln entsteht. Der Blick wird zu einer Kette aus Erwartungen, deren Glieder aus Schatten bestehen.
Die Schilderung dieser Szene schlägt eine Brücke zwischen Schuld und Erkenntnis. Schuld ist nicht nur die Last der Taten, sondern die Last des Gewisswerdens: zu erkennen, dass jede Entscheidung Spuren hinterlässt, Spuren, die durchs Dunkel führen und zugleich das Licht verdunkeln. Die Fliege, deren Flügel wie goldene Münzen schimmern, erinnert daran, dass jede Entscheidung ihren Preis hat. Der Preis besteht weniger aus materieller Abrechnung als aus der Frage, wer am Ende die Stimmen hört, die im Nachhall der Taten geflüstert werden: die Stimmen der Geister, die man nicht sehen will, der Prophezeiungen, die man nicht frei wählen kann, der Schatten, der folgt, egal wohin man geht.
Machtstreben findet in diesem Bild eine subtile, aber unausweichliche Logik. Wer die Zukunft lesen will, verführt sich selbst mit dem Versprechen der Kontrolle. Doch Kontrolle ist eine Illusion, denn jede Handlung verändert den Spielraum aller anderen. Die goldene Fliege fungiert hier als eine Art kosmisches Messinstrument: Sie misst nicht nur Chancen, sondern vergrößert auch das Gewicht jeder Entscheidung, so dass selbst kleine Bewegungen große Folgen ziehen können. In diesem Sinne wird Macht nicht als sichtbare Herrschaft, sondern als unsichtbarer Druck gespürt, der den Blick verengt und die Möglichkeiten verschiebt.
Der Schleier des „Schatten“ tritt auf als Begleiter jeder Einsicht. Schatten nicht als Abwesenheit von Licht, sondern als Gegenraum, in dem Möglichkeiten sich sammeln, bevor sie an die Oberfläche treten. Die Fliege navigiert durch diesen Gegenraum, und mit jedem Flügelschlag zeigt sie, wie Spuren entstehen: in Erinnerungen, in Entscheidungen, in den Grenzen der Freiheit. Freiheit wird zum Begriff, der nicht in der Abwesenheit von Zwang liegt, sondern im Mut, lautloser Verantwortung zu begegnen: der Verantwortung, die entsteht, wenn man den Blick auf das richtet, was gerade geschieht, anstatt auf das, was man sich erträumt.
Die Szene führt uns zu einem Blick auf das Wesen der Wahrheit. Wahrheit ist selten ein klarer Strahl, meist ein flirrendes, polyphoner Netz aus Möglichkeiten. Die goldene Fliege verlangt von uns, die Wahrheit nicht als Epiphanie zu erwarten, sondern als beständiges Ringen um Bedeutungen zu akzeptieren. Sie erinnert daran, dass jedes Urteil von Vorwissen, Vorannahmen und dem Verlangen nach Ordnung durchdrungen ist. In dieser Spannung zwischen Klarheit und Schweigen liegt der Reiz der Narration: Die Geschichte wird nicht mit einer eindeutigen Botschaft abgeschlossen, sondern mit der Einsicht, dass Fragen wichtiger sind als endgültige Antworten.